Ein
Akteur war schon da, Mr. Tom, der unsere Gäste in ein wenig
Jahrmarkt-Feststimmung versetzen sollte. Er bezauberte mit
seinem ihm von Gott gegebenen Charme und erinnerte mich ein
wenig an Lemming, eine Chatbekanntschaft aus Leipzig. Mr.
Tom schnallte sich seine Stelzen um, setzte seinen Zylinder
auf und zauberte in die kleinen und großen Gesichter das
Lächeln, was ich allen wünschte. Mit blitzschneller
Fingerfertigkeit formte er aus Luftballons Figuren aller
Art. Allein seine Aufblastechnik versetzte meine
Besucher in Staunen. Wie mir mein fast Schwiegersohn Karsten
und Platzelektriker versicherte, war er von dieser
Blastechnik nach einigen Selbstversuchen absolut
beeindruckt, denn das einzige was er mit aller Puste zum
schwellen brachte waren seine Äderchen im Kopf. Mr. Tom war
vielseitig und zauberte für die kleinen Gäste in der
stilvollen Kulisse der Schmetterlingsbahn, wann habe ich
jemals etwas schöneres empfunden als bei diesem Anblick?
Dutzende von Kindern und Erwachsene stehen auf den Planken
und sitzen in den Gondeln eines Karussells und widmen ihre
uneingeschränkte Aufmerksamkeit den gauklerischen Künsten
eines Zauberers. Und ich glaube, dass es auch für Mr. Tom
eine Premiere in einer solchen Kulisse war. Angespornt von
so vielen überraschten Gesichtern nötigte mich mein
Zauberer, ich möge ihm auf der großen Bühne (die unserer
Bands) als Kandidat bei weiteren Aktionen assistieren.
Ich gebe zu, ich war nicht sehr
angetan von seinem Vorschlag, ich war im innersten
durchwühlt wie eine Braut am ersten Hochzeitstag, aber nach
seinem Späßchen mit mir, gab ihm die grölende Menge recht,
endlich mal dem Dicken die Hosen runter zu lassen. Als
absoluten Höhepunkt von Mr. Toms Abendgala, präsentierte er
sich in einer beindrucksvollen Show als Feuerspucker. In
kühler Oktobernacht speite er sein Feuer in den Himmel und
den Zuschauern konnte im respektablen Abstand dabei warm
werden.
So weit zu Tom, bei dem ich hoffe
ihn mal wieder erleben zu dürfen, um mich in Ruhe und
Gelassenheit bei ihm persönlich bedanken zu können, für das
was ich erst mit Abstand an großer Gabe und Können an ihm zu
würdigen weis.
An diesem Abend sind sehr viele Acts
und Dinge parallel abgelaufen, so wie es geplant war. Und
hier ist mir ein winziger Fehler unterlaufen, denn die
Planung hätte so nicht sein dürfen, für ein Publikum von nur
350 Menschen. In großen Vergnügungsparks bedient sich ein
Veranstalter solcher Zeitfenster, um möglichst eine große
Menschenmenge reibungslos umher zu schleusen. Aber das war
mein Irrtum. Ich hatte keine große Menge, sondern nur ein
kleines Häufchen von 350 Menschlein, das sich in der
Dekoration fast verlief. Aber unbeirrt war ich der Meinung
ich könne mich mit allen gleichzeitig beschäftigen. Aber
dieser, für mich verheerende Fehler wurde von unseren
Gästen nicht bemerkt, denn es gab immer was zu schauen, und
schon die erste Musikgruppe, eigentlich „nur“ eine
Rhythmusgruppe, war so beeindruckend, dass ich mir, im
Taumel meiner angespannten Gefühle, nicht mehr sicher war,
ob dies meine Party sei. Es war Karl, mein Kollege, der mir
einst vorschwärmte, wie toll der Umgang mit Trommeln und
dergleichen sei. Er ist auf Michael, einem Afrikaner,
getroffen, der in einer Rhythmusgruppe das Trommeln lehrte.
Karl brauchte nicht lange an mich ranquatschen, denn ich
verstand ihn sehr gut, war ich doch einst der einzige in
einem Musikunterricht, in der Volksschule, dem der
Musiklehrer die Pauken anvertraute. Ich war der einzige in
der degenerierten Klasse, der in der Lage war, Zeitgefühl
und Takt zu entwickeln. Und so konnte ich Karl gut
verstehen, wenn er in der vermeintlichen Monotonie
Entspannung finden konnte. Nicht ist für Seele und Körper
entspannender als ein gleichmäßig wiederkehrender Rhythmus.
Das wohltuende Schnurren einer Katze oder die sanften
Resonanzen eines Dieselmotors bewirken bei vielen Menschen
ein Gefühl des Wohlbehagens.
Michael war mit einem Teil seiner
Schüler bereit und versetzte die Gäste in der Dschungelbar
in einen musikalischen Traum von Afrika. Zu dieser Zeit
befand ich mich auf dem ca. 100 m entfernten Parkplatz und
versuchte noch mir wichtige Dinge nachzusteuern, als mich
die gewaltigen Trommelschläge ereilten. Mir ist nicht
bewusst, was in mir vorging, aber ich musste meine Augen
schließen und für einen Moment inne halten. Waren es meine
übersensibilisierten Gefühle oder war da wirklich etwas, was
ich so noch nie empfunden habe? Es ging wirklich durch Mark
und Bein. Es befahl dem Herzen, sich dem Takt anzupassen.
Seele und Umwelt verschmolzen zu einer Einheit und in einer
Art Trance forderte eine Sucht nach jedem Trommelgroll einen
weiteren. Obwohl ich den Film „Jenseits von Afrika“ nie
gesehen hatte und keine Ahnung hatte welche Handlung im
Vordergrund stand, fiel mir aber spontan dieser Titel ein
und ich empfand eine Rührung, die meine Augen feucht werden
ließen. Was diese Männer mit ihren Trommeln bewegten, waren
nicht nur die Membranen auf den Hohlkörpern, es war der
kulturelle Anspruch eines Landes, hier und jetzt unter den
Menschen eine Philosophie des Miteinanders zu verbreiten.
Einige Gäste waren derart gerührt und begeistert, dass
sie den Drang hatten mir das mitzuteilen. Dies gebe ich
gerne hier in meinem Buch an Michael und seine Begabten
weiter.
Im Verlauf des Abends versuchte ich
mehrmals Kontakt zu meinen Gästegrüppchen zu finden. Es
gelang mir aber nur selten, denn einerseits wollte ich nicht
in eine bereits tiefgründig begonnenen Unterhaltung
reinplatzen und zum Anderen hatte ich auch für den Einzelnen
wenig Zeit. So beschränkte ich mich auf so eine Art
Tablehopping, da mir dieser Begriff durch Mr. Tom endlich
klar war.
So nach und nach trafen weitere
Gäste aus Nah und Fern ein und unser Partyservice stand mit
professioneller Hilfe parat, um ihren Hunger zu stillen. Mir
persönlich war ein großer Teil der Speisen Schnuppe, was
sollte ich mit Scampies oder ähnlichem? Aber die Gäste waren
begeistert, und was da aufgetischt wurde ging über das Maß
eines Grillplatzes hinaus. Danke Gundi!
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