16.06.2005
Hallo liebes Tagebuch, kennst du mich noch? Ich bin dein
Schöpfer und, sorry, ich habe dich lange alleine gelassen.
;-)
Ich habe nur diesen einen Grund, warum ich dich
vernachlässigt habe, ich war zu schwach und zu müde, dir
meine täglichen Erlebnisse zu erzählen. Der neue Job fordert
alle meine physischen Reserven und dazu kommt noch der
permanente Stress, wenn ich mich ständig auf einen anderen
Gesprächspartner einstellen muss. Ohne diesen Job hätte ich
nie daran geglaubt, dass es so etwas wie einen "Geistigen
Muskelkater" gibt. Eine Lehre der Gedanken und der Begriff
der Gedankenlosigkeit erhält für mich eine neue Dimension,
etwas was ich nachempfinden kann. Es schmerzt einen Gedanken
zu formulieren, und das Einzige was ich will ist der Wunsch
nach stillem Schweigen. Dabei kommt mir eine Geschichte von
Loriot in den Sinn, von einem Ehepaar:
Sie ruft
aus der Küche: "Was machst Du?"
Er: "Nichts!"
Sie:
"Du musst doch irgendwas machen?"
Er: "Ich sitze hier"
Und so fragt sie weiter und weiter und lässt ihm
keine Ruhe. So ging es mir eine lange Zeit, ich saß abends
nur so da! Unfähig, mich an meine Erlebnisse zu erinnern,
oder gar in Worte zu fassen. Von Tag zu Tag wird nicht nur
mein Körper, sondern auch mein Geist mobiler und ich fühle,
wie eine Art der Metamorphose in mir stattfindet und ich
mich zu dem entwickle, was ich mir zu Beginn der Tätigkeit
vorgestellt habe, ein freier, zufriedener Mensch, der wieder
positiv denkt und der seinen Wert und auch Wertebeziehungen
wieder abschätzen kann! Der Weg führt mich fort vom
jammervollen Dasein eines Don Quichote der unermüdlich gegen
Windmühlen kämpft, denn in einer Welt, die sich nicht
verändern lässt, muss jeder begreifen, dass er die Anderen
nicht verändern kann, nur sich selbst. Mit einer positiven
Einstellung im Leben werden viele Hürden bereits beim
Entstehen bewältigt. Wer Hürden erst vermessen muss und
darüber grübelt wie er sie nehmen kann, wird meistens daran
scheitern. Wer verkrampft versucht jede seiner Hürden zu
nehmen, steht im ständigen Wettstreit. Manchmal ist es auch
leichter eine Hürde zu umgehen. Wer sich auf jeden Zweikampf
einlässt provoziert unnötigen Stress bei sich und seinem
Herausforderer. Überall tauchen sie auf, die Typen, die
immer die ersten sein wollen, sie drängeln auf der Straße,
mogeln sich an einer Kasse nach vorne, wollen die besten
Zeugnisse und tollsten Beurteilungen. Sie haben ihren Blick
wie "Hans Kuck in die Luft" nach oben gerichtet, um ihr
großes Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und vergessen
die eigentlichen Freuden des Lebens. Früher oder später
werden sie enden wie bei STRUWELPETER. Ich freue mich über
jeden neuen Morgen. Freue mich über die Sonnenstrahlen, aale
mich darin und freue mich auch, wenn mir Regen ins Gesicht
schlägt. Ich genieße mein Leben bewusster als zuvor und
nehme den Rat von einem lieben Menschen an, der unaufhörlich
predigt: "Wirf Dein Morgen nicht weg!" Es wäre zu früh, wenn
ich sage, ich sei schon zufrieden, da ich gerade mit dem
Selbstheilungsprozess begonnen habe. Aber ich habe ein gutes
Gefühl und glaube, dass jetzt die schönste Zeit meines
Lebens beginnt.
Ich erinnere mich an einen Tag vor
Wochen, als ich in Köln, auf meinem Weg zur Arbeit, im Stau
stehend, einen Mann auf einer kleinen Kehrmaschine
beobachtete. Er fuhr über den Gehweg, wendete und fuhr
wieder zurück. Er schwenkte über eine breite Einfahrt und
begann von neuem. Sein Gesicht ließ nicht erkennen, ob er
Spaß dabei empfand. Lange sah ich ihm zu und mit jedem Meter
den er auf seiner Kehrmaschine zurücklegte wuchs mein Neid
und ich stellte mir die Frage, was ich wohl falsch gemacht
haben muss, dass ich zu so einem scheiß Job fahre und nicht
auf dieser Kehrmaschine sitzen darf. Ich hätte gerne mit ihm
meinen Job getauscht. - Solche Anlässe gab es zu genüge, in
der ich mir nicht mehr sicher war, ob meine Entscheidung,
bei den Drückern mit zu machen, richtig war. Ich hatte
ausreichend Zeit, alle Für und Wieder abzuwägen und ich
wusste, dass es ein steiniger Weg sein wird, aber ich hatte
es mir nicht so schwer vorgestellt.
Der Job
Inzwischen habe ich für mich den Begriff des Drückers durch
das Wort Botschafter ersetzt, es klingt besser, wenn ich
mich als Botschafter der "T" sehe. So habe ich meine innere
Einstellung zu meinem Job leicht verschoben und sehe mich
nicht als Vertreter, der mit lechzender Zunge nach einem
Geschäftsabschluss hechelt, sondern als Berater eines
seriösen Unternehmens, das seine Kunden mit fast
seelsorgerischer Sorgfalt betreut. Mein Chef sieht das nicht
so und ist tatsächlich hinter den Abschlüssen her, diese
wird er auch bekommen, weil ich gut in diesem Job bin und
wenn Abschlüsse einer ehrlichen Symbiose der
Geschäftsbeziehung dienlich sind, kommen sie zustande.
Meinen Job vergleiche ich mit dem eines Alleinunterhalters
auf einer Wanderbühne, meine Requisiten beschränken sich auf
den Inhalt einer schwarzen Ledermappe welches das Logo
meines Unternehmen trägt. In diesem Wanderleben finde ich
die unterschiedlichsten Bühnen (Geschäftsräume) vor, auf
denen ich meine Auftritte inszeniere. Mal ist es ein kleines
verqualmtes Hinterhausbüro, mal eine feudale Eingangshalle
mit Rezeption und Wartebereich. Egal auf welchen Brettern
ich mich bewege, meine Show muss immer gleich gut sein, das
ist eine Anforderung, die ich an mich selber stelle. Wie die
Vielfalt der Bühne, so unterschiedlich ist auch mein
Publikum. Was mag mich erwarten, wenn der Vorhang sich hebt,
beziehungsweise die Türe sich öffnet, ist ungewiss. Ist mein
Publikum gut drauf, schaffe ich es, sie in den ersten
Sekunden in meinen Bann zu ziehen, oder rufen sie "aufhören,
aufhören" und schmeißen mich womöglich von der Bühne? Ich
hab keine Ahnung was mich erwartet, eben so wenig einen
Anheizer, wie es in den Arenen und Freilichtbühnen der
Vergnügungsparks üblich ist, auch diesen Part gestalte ich,
wenn es nötig ist, selber, eben eine Eine-Mann-Show. :- )
Lampenfieber ist vor jedem Auftritt dabei. Egal was mich
erwartet, es wird meine volle Aufmerksamkeit gefordert, die
kleinste Geste meines Publikums muss ich erfassen und in der
Lage sein sie zu deuten, und in der Lage sein auf sie
einzugehen. Ich will, dass sie mich hören und dann zuhören.
Ich will ein Signal aussenden, dass ich ein Freund bin und
keine Bedrohung. Und ich will ihr Vertrauen. Vertrauen ist
das wichtigste Gut in einer Beziehung, aber es wird nicht
verschenkt, es muss ehrlich verdient werden. Erst wenn
dieser Weg bereitet ist, kann ich mit meiner Show beginnen.
Dann kann sich mein Publikum entspannt zurücklehnen und sich
an meinem Entertainment erfreuen. Langsam und behutsam
werden alle Register in meinem Reportoire gezogen und mein
Gegenüber merkt, dass ich mein Geld wert bin. Ich jongliere
nicht nur mit Zahlen, Daten und Fakten, sonder nehme auch
anteil an den Gefühlen und Vorurteilen meines Publikums,
greife sie auf und gebe auch Informationen zu Dingen die
meist im Verborgenen bleiben. Ängste und Vorurteile wachsen
auf dem Boden der Unwissenheit, hier gilt es aufzuklären und
zu erläutern warum dies so ist, um sie aus dem Weg räumen zu
können. Erst wenn mein Publikum bereit wäre einen Fanclub
für mich zu gründen, habe ich einen guten Job gemacht. Wer
glaubt, dass zu meinem finalen Ende die Unterzeichnung eines
Auftrages gehöre, der irrt sich. Mein finales Ende zielt auf
einen ehrlichen, freundschaftlichen Händedruck, und das
Lächeln meines Publikums zum Abschied, denn ich weiß, dass
der nachfolgende Einmanndarsteller es schwer hat, weil er an
meiner Show gemessen wird. Selbstverständlich biete auch ich
wie jeder Andere in diesem Gewerbe einige Utensilien zum
erwerben an, aber wichtiger ist für mich der Erhalt einer
guten Beziehung. Meine Fangemeinde wird wissen warum sie
mich und mein Theater mag. Wo immer auch ein ein Logo dieser
Theatergilde erscheinen wird sollen sie sich zuhause fühlen.
Auch wenn an meiner Stelle ein Anderer steht, wird das in
uns gesetzte Vertrauen nicht enttäuscht.
30.06.2005
Das
Publikum ist den Aufwand den ich (wir) treiben wert.
Vereinzelt stoße ich auf sehr kritische Zeitgenossen, die
mit dem Ärger, den ihnen unser Unternehmen bereitet hat,
nicht hinter dem Berg halten und sich freuen, endlich einen
aus diesem Laden leibhaftig in die Hände zu bekommen, um den
aufgestauten Frust, den wir durch unsere Unfähigkeit
angerichtet haben, in einer Schimpfkanonade abzulassen. Und
so legen sie gleich los und zählen in einem unerbittlichem
Redeschwall alle Anlaufstellen und Hotlines auf, bei denen
angeblich die dümmsten und unkompetentesten Menschen unseres
Unternehmens sitzen sollen. Faxe werden zur Untermauerung
des Desasters aus Ordner füllendem Schriftwechsel
hervorgezaubert. Nicht ein Gedanke wird daran verschwendet,
ob nicht auch die eigene Dummheit zur Misere beigetragen
haben kann.
Das Gegenteil zu diesen Unbeherrschten ist
in der Summe häufiger anzutreffen, sie nutzen die Gunst der
Stunde und fahnden in ihren Gedanken blitzschnell nach
Themen, die sie eigentlich schon längst erledigen wollten.
Die Gelegenheit wird beim Schopf gegriffen und, um Zeit für
die Suche nach den Themen zu schinden, wird erst mal ein
Platz angeboten. Hier schwebt von Anfang an ein herzliches
Willkommen im Raum.
Wer kennt ihn noch den Liedertext
"wer will fleißige Handwerker sehn ...."? Fleißige
Handwerker sind sie alle, aber wenn es um die eigene Firma
geht steckt all zu oft hinter dem Fleiß kein cleverer
Geschäftsmann und sie lassen sich zu leicht über den Tisch
ziehen. Ihnen liegt es nicht, in Tabellen zu stöbern oder
Vergleiche anzustellen, sie flüchten sich lieber zu ihrer
Arbeit, mit ihr sind sie vertraut. Es wundert mich nicht,
das meine Konkurrenz bei diesen Menschen leichte Beute macht
und in Ekstase das Blut ihres Opfers trinkt und ihre Seele
ißt.